Demand Forecasting trifft auf Künstliche Intelligenz

Begriffe wie Demand Forecasting, Bullwhips oder “AI Powered Demand Planning” gehören zum Vokabular der modernen Lieferkette – also neudeutsch dem Supply Chain Management.

Begriffe wie Demand Forecasting, Bullwhips oder “AI Powered Demand Planning” gehören zum Vokabular der modernen Lieferkette – also neudeutsch dem Supply Chain Management.

Daher klären wir zunächst einmal, was Begriffe wie Demand Forecasting, Demand Planning, Nachfrageprognose oder Bedarfsplanung bedeuten. Demand Forecasting oder Demand Forecast ist das englische Wort für Nachfrageprognose. Demand Planning ist die Übersetzung für Bedarfsplanung. Schauen wir uns das genauer an.

Demand Forecasting 

Die Nachfrageprognose ist der Prozess der Schätzung der zukünftigen Nachfrage durch Analyse von Daten. Stark vereinfacht bedeutet es, vorherzusagen, wie groß das Interesse von Verbraucher:innen am Kauf eines Produktes ist. Diese Vorhersagen basieren auf historischen Verkaufsdaten, aktuellen Markttrends und anderen externen Faktoren.

Demand Planning

Die Bedarfsplanung oder Nachfrageplanung ist ein übergeordneter Prozess, der nicht nur die Vorhersagen des Demand Forecasting verwendet, sondern auch die Planung und Verwaltung der Bestandsmengen, die Produktion und die Beschaffungsstrategien einschließt. Es geht darum, sicherzustellen, dass das richtige Produkt zur richtigen Zeit am richtigen Ort verfügbar ist, um die vorhergesagte Nachfrage zu erfüllen. In einem gesonderten Artikel gehen wir nochmals genauer auf die unterschiedlichen Anforderungen an die beiden genannten Konzepte ein.

Dieser Artikel befasst sich mit der Frage, wie sich die Anwendung der künstlichen Intelligenz im Demand Forecasting auswirkt. Auch “Predictive Analytics for Demand Forecasting” (dt. vorausschauende/prädiktive Analyse für Nachfrageprognosen) genannt.

Man könnte glauben, dass Lieferketten als Paradebeispiele für Nachfrageprognosen und der allgemeinen Bedarfsplanung seit längerem von vorne bis hinten professionalisiert sind. Mitnichten.

Status Quo Supply Chain Management

Ein McKinsey-Bericht aus dem Jahr 2021 ergab, dass fast 75 % der Führungskräfte in der Supply Chain auf manuelle Methoden für die Lieferkettenplanung zurückgreifen, vor allem auf Tabellenkalkulationen. Mit anderen Worten, Excel. Man glaubt es kaum. Diese Abhängigkeit erhöht natürlich das Risiko menschlicher Fehler und führt zu einer zeitintensiven Datenerfassung und -aufbereitung, die oft zu veralteten Informationen führt. Außerdem arbeiten Unternehmen in der Regel in isolierten Umgebungen, was den Prozess erschwert, da technische Systeme wie unter anderem die künstliche Intelligenz Daten aus verschiedenen unabhängigen Quellen sammeln müssen.

(Abb. 1: Tabellen bleiben die meistgenutzte Methode für die Planung der Lieferkette.

Allein die Vernetzung der Daten durch das Aufbrechen von Datensilos bringt einen enormen Performance-Schub. In Kombination mit künstlicher Intelligenz erreicht die Industrie hier sprichwörtlich das nächste Level, welches laut dem Bericht "Global AI in Supply Chain Management (SCM) 2023-2028" von Research and Markets wie folgt aussieht:

Künstliche Intelligenz (KI) wird im Bereich SCM bis 2028 weltweit 17,5 Mrd. US-Dollar erreichen wird, wobei KI-gestützte Lieferketten dank geringerer Risiken und niedrigerer Gesamtkosten um über 67 % effektiver sind.

Das sind gute Nachrichten. Betrachten wir nun also, wie künstliche Intelligenz sowohl Risiken als auch Kosten reduziert, um das Supply Chain Management effektiver zu machen.

Die wesentlichen Vorteile von KI für das Demand Forecasting

Die Integration von Künstlicher Intelligenz im Demand Forecasting ist wenig überraschend ein großer Fortschritt im Bereich des Supply Chain Managements. Denn KI ermöglicht eine hochpräzise Vorhersage der zukünftigen Nachfrage und überwindet damit die Grenzen herkömmlicher Prognosemethoden, die sich oft stark auf vergangene Muster und vereinfachte Annahmen stützen. Durch die Nutzung des maschinellen Lernens (Machine Learning) sind KI-Algorithmen in der Lage, riesige Datenmengen sowohl in der Vergangenheit als auch in Echtzeit zu analysieren, um komplexe Muster und Trends zu erkennen, die menschliche Analysen leicht übersehen könnten. Dies führt zu genaueren und detaillierteren Prognosen, die für verschiedene Branchen wie den Einzelhandel, Life Sciences (Biowissenschaften), die Halbleiterindustrie oder für Fintech (Finanztechnologie) von entscheidender Bedeutung sind.

Schauen wir uns das im Detail an:

Effizienz in der Datenverarbeitung

KI eignet sich hervorragend, um umfangreiche Datensätze schnell und genau zu strukturieren und zu analysieren. Im Gegensatz zu traditionellen Methoden, die umfangreiche manuelle Eingaben erfordern (z. B. mit Tabellenkalkulation), rationalisiert KI den Prozess der Datenverarbeitung. Das Ergebnis ist ein effizienterer Bedarfsplanungsprozess, der Zeit für strategische Entscheidungen freisetzt und das Risiko menschlicher Fehler verringert.

Aufgrund der Vielzahl an Daten können bspw. in der Schifffahrt laut Lloyd’s Register (Maritime Performance Services) nur 10 % der Schiffsdaten berücksichtigt werden, während KI-Modelle heute fast 100 % der Schiffsdaten betrachten und sofort verarbeiten können.

Präzise und dynamische Prognosen

KI bietet einen ausgefeilten Ansatz für Prognosen, indem sie selbstständig geeignete Methoden für verschiedene Produkte und Ebenen auswählen und kombinieren kann. Dieser granulare Ansatz führt zu einer höheren Genauigkeit der Prognosen, die für fundierte Entscheidungen in der Lieferkette entscheidend ist.

Umfangreiche Datenintegration

Besonders hervorzuheben ist die Fähigkeit der künstlichen Intelligenz, sowohl interne als auch externe Daten in die Prognosen einfließen zu lassen. Sie kann kausale Zusammenhänge zwischen verschiedenen Faktoren erkennen, wie z. B. Markttrends und Wirtschaftsdaten, die die Nachfrage beeinflussen. Dieses Maß an Integration bietet eine holistische Sicht auf den Markt, die bei traditionellen Methoden möglicherweise übersehen wird.

Schnelle Reaktionsfähigkeit 

Algorithmen passen sich schnell an Marktschwankungen an - ein entscheidender Vorteil in der heutigen volatilen Umgebung. Diese Anpassungsfähigkeit ist besonders wertvoll, wenn es darum geht, auf unerwartete Ereignisse oder "Black Swan"-Ereignisse wie die COVID-19-Pandemie zu reagieren, die die Nachfragemuster erheblich beeinflussen.

Verbesserte Entscheidungsfindung durch Klarheit

Künstliche Intelligenz ist ebenfalls ein großer Schritt in Richtung klarer Entscheidungsfindung. Durch die genaue Erkennung von Ausreißern zeigt KI nicht nur potenzielle Schwankungen an, sondern liefert auch ein umfassendes Verständnis ihrer Auswirkungen auf das Unternehmen. Diese frühzeitige Erkennung ermöglicht ein rechtzeitiges und effektives Eingreifen und stellt sicher, dass die Entscheidungen nicht nur reaktiv, sondern strategisch ausgerichtet sind.

Bessere Beziehungen in der Lieferkette

Der sogenannte Bullwhip-Effekt bezeichnet die Verstärkung von Nachfrageschwankungen entlang der Lieferkette, bei dem kleine Schwankungen in der Nachfrage am Ende der Lieferkette zu überproportional großen Schwankungen in den Bestellmengen und Lagerbeständen bei den Lieferant:innen führen.

Die genaue Vorhersage von KI minimiert den Bullwhip-Effekt und führt zu besseren Lagerbeständen. Das wiederum führt zu einer effizienteren Planung der Interessengruppen in der Lieferkette, reduziert den Stress und verbessert die Zusammenarbeit. 

Demokratisierung von Data Science

KI ermöglicht es auch Menschen ohne umfassende Kenntnisse der Datenwissenschaft, komplexe Nachfrageprognosen zu erstellen. Die selbstlernenden Systeme erstellen und passen die Modelle nach Bedarf an, sodass sich die Teammitglieder auf strategische Aufgaben konzentrieren können, während sie die quantitative Arbeit der KI überlassen.

Prognoseverbesserung über die Zeit

Mit jeder Iteration der Datenanalyse entwickelt sich die KI im Demand Forecasting weiter und verbessert sich. Durch maschinelles Lernen sind KI-Systeme in der Lage, aus neuen Daten zu lernen und ihre Prognosemodelle mit der Zeit zu verfeinern. Diese kontinuierliche Verbesserung führt zu immer genaueren Vorhersagen. Je mehr Szenarien das System durchspielt und je mehr Feedback es einbezieht, desto besser kann es subtile Markttrends und Nachfrageverschiebungen erkennen. Dieser dynamische Lernprozess stellt sicher, dass Unternehmen nicht nur mit den aktuell besten Prognosemodellen ausgestattet sind, sondern auch in der Lage sind, sich an die sich verändernde Marktdynamik anzupassen und sich weiterzuentwickeln, um einen Wettbewerbsvorteil bei der Bedarfsplanung zu behalten.

Insgesamt ist die Tendenz augenfällig – diese Vorteile zeigen, wie künstliche Intelligenz die Nachfrageprognose von einem arbeitsintensiven, fehleranfälligen Prozess in einen strategischen, datengesteuerten Ansatz verwandelt, der die Effizienz, Genauigkeit und Reaktionsfähigkeit im Supply Chain Management verbessert.

Die Herausforderungen von KI beim Demand Forecasting

Kein Licht ohne Schatten. Obwohl KI bei der Vorhersage von Markttrends und der Optimierung des Bestandsmanagements entscheidende Vorteile bietet, ist ihr Einsatz nicht ohne Hürden. Diese Herausforderungen reichen von technischen und datenbezogenen Fragen bis hin zu allgemeineren organisatorischen und marktbezogenen Faktoren. Diese Herausforderungen gilt es zu verstehen und zu bewältigen, um das volle Potenzial von KI bei der Verbesserung im Demand Forecasting auszuschöpfen. Im Folgenden werfen wir einen genaueren Blick auf einige der wichtigsten Hindernisse, denen Unternehmen begegnen können:

Datenqualität und Datenintegrität

KI-Modelle benötigen hochwertige, umfassende Daten. Problematisch wird es, wenn die Daten inkonsistent, unvollständig oder verzerrt sind, was zu ungenauen Prognosen führt. Wie immer zählt das bekannte IT-Mantra: “garbage in, garbage out”.

Integration in bestehende Systeme

Die Einbindung von Technologie in bestehende Geschäftsprozesse und -systeme ist nicht selten mit technischen Herausforderungen verbunden. Diese Integration erfordert teilweise die Überwindung kultureller Widerstände und die Gewährleistung der Kompatibilität mit Altsystemen.

Komplexität von KI-Modellen

Das Entwickeln, Interpretieren und Verwalten von KI-Modellen erfordert Spezialwissen. Diese Komplexität erfordert die Investition in qualifiziertes Personal oder die Zusammenarbeit mit Anbietern von KI-Lösungen.

Fehlende Transparenz

Die Undurchsichtigkeit ("Blackbox") mancher KI-Modelle kann zu Transparenzproblemen führen, die es Führungskräften erschwert, den Entscheidungsprozess der KI zu verstehen und ihr zu vertrauen. Weiterhin können falsch eingeschätzte KI-Entscheidungen alle möglichen Arten von Schäden verursachen.

Globale Unwägbarkeiten

Unvorhergesehene Ereignisse wie Pandemien oder wirtschaftliche Schwankungen können die Vorhersagegenauigkeit von KI in Frage stellen. KI-Modelle müssen schnell umgeschult oder angepasst werden, um sich an neue Marktbedingungen anzupassen.

Kontinuierliches Modell-Management

Auch unabhängig von Unvorhersehbarkeiten erfordert die Dynamik der Märkte  eine ständige Überwachung und Aktualisierung der KI-Modelle, um ihre Relevanz und Genauigkeit zu erhalten, was ressourcenintensiv sein kann.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass künstliche Intelligenz viele Vorteile für die Nachfrageprognose mit sich bringt. Ihre erfolgreiche Umsetzung erfordert jedoch die Bewältigung von Herausforderungen bei der Datenqualität, der Systemintegration und dem laufenden Management. Unternehmen können die Möglichkeiten der künstlichen Intelligenz nutzen, um ihr Supply Chain Management in den Bereichen Kosten, Risiko und Effizienz zu verbessern.

Häufig gestellte Fragen (FAQs)

Was ist eine KI-gesteuerte Nachfrageprognose?

Die KI-gestützte Nachfrageprognose ist eine Methode, bei der künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen eingesetzt werden, um die zukünftige Nachfrage nach Produkten oder Dienstleistungen vorherzusagen. Diese Methode ist genauer als traditionelle Methoden, die sich auf historische Verkaufsdaten und einfache statistische Modelle stützen.

Wie hilft KI beim Demand Forecasting für neue Produkte?  

Es nutzt vorhandene Produktdaten, um die Nachfrage zu modellieren, solange eine Verkaufshistorie vorliegt.

Wie kann KI die traditionellen Methoden der Nachfrageprognose verbessern? 

KI beschleunigt die Datenverarbeitung, deckt versteckte Probleme auf und erstellt detailliertere Prognosen im Gegensatz zu herkömmlichen Methoden.

Kann KI bei der Personalplanung und der Zufriedenheit der Kundschaft helfen? 

Ja, KI hilft bei der Vorhersage des Bedarfs an Angestellten und stellt die Produktverfügbarkeit sicher, was zu einer höheren Zufriedenheit der Kundschaft führt.

Welche Arten von KI Demand Forecasting gibt es? 

Die KI-Nachfrageprognose umfasst kurzfristige, langfristige, aktive, passive, interne und externe Typen, die jeweils für unterschiedliche Geschäftsanforderungen geeignet sind.

Wo liegen die Grenzen der traditionellen Methoden im Demand Forecasting? 

Traditionelle Methoden stützen sich oft auf historische Daten und gehen davon aus, dass vergangene Muster fortbestehen werden. Sie können externe Faktoren wie Markttrends und unerwartete Ereignisse nur schwer einbeziehen, was zu ungenauen Prognosen führt.

Wie verbessert KI die Nachfrageprognose? 

KI analysiert riesige Datenmengen, einschließlich externer Faktoren, um komplexe Muster zu erkennen. Dies führt zu genaueren und umfassenderen Prognosen, optimiert die Bestandsverwaltung und reduziert die Verschwendung.

Kann sich die KI-gestützte Nachfrageprognose an Marktveränderungen und Unwägbarkeiten anpassen? 

Ja, KI kann besonders effektiv bei der Anpassung an schnelle Marktveränderungen und globale Unwägbarkeiten wie Wirtschaftsabschwünge oder Pandemien sein. Sie analysiert Echtzeitdaten, um die Prognosen entsprechend anzupassen. Allerdings können hier auch Fehler entstehen.

Was sind die allgemeinen Vorteile von KI bei der Nachfrageprognose für das Supply Chain Management? 

KI-gesteuerte Demand Forecasting steigert die Effizienz und Rentabilität der Lieferkette. Es hilft Unternehmen, die Grenzen traditioneller Prognosen und komplexer Zusammenhänge zu überwinden und sich an veränderte Marktbedingungen anzupassen.