Deswegen sind präzise Prognosen ein bedeutender Faktor für die Wirtschaftlichkeit und den Erfolg von Lieferketten in unserer globalisierten und hochkomplexen Wirtschaftswelt. Unternehmen nutzen hierbei ihre Ressourcen hocheffizient und sind gleichzeitig imstande, kurzerhand auf Nachfrageänderungen, externe Störungen wie Naturkatastrophen oder eben politische Instabilität zu reagieren. Präzision in der Vorhersage ist die Grundlage für diese Anpassungsfähigkeit.
(Abb. 1: Suezkanal in Gefahr: Ein Nadelöhr der globalen Wirtschaft, Lookout/YouTube)
Durch genaue Prognosen können Organisationen ihre Lagerbestände besser verwalten, Überproduktion vermeiden und Engpässe reduzieren. Besonders im Bereich des Bestandsmanagements spielt die Prognosegenauigkeit eine fundamentale Rolle. Unternehmen, die mithilfe fortschrittlicher Analysemethoden und künstlicher Intelligenz genaue Vorhersagen treffen, senken sowohl ihre Kosten und vermeiden auch eine potenzielle Verärgerung ihrer Kundschaft über höhere Preise oder Verfügbarkeit.
Ein erhebliches Problem ist die Volatilität der Nachfrage. Dank präziser Vorhersagemodelle kann besser auf diese Schwankungen reagiert werden. Dies führt zu einer effizienteren Nutzung von Ressourcen, was zum einen die internen Prozesse verbessert, und zum anderen auch dazu beiträgt, die Umweltbelastung zu reduzieren – ein immer wichtigerer Faktor angesichts globaler Nachhaltigkeitsziele.
Darüber hinaus tragen genaue Prognosen zur Minimierung von Risiken bei, indem sie eine frühzeitige Identifizierung potenzieller Probleme ermöglichen. So können Unternehmen durch Vorhersagemodelle frühzeitig erkennen, ob Rohstoffknappheiten oder Lieferengpässe drohen – und entsprechende Maßnahmen ergreifen, um diese Risiken zu mindern.
Somit sind präzise Prognosen eine Schlüsselkomponente für eine Reihe von wichtigen aktuellen Themen: Nachhaltigkeit, Kundenzufriedenheit, Flexibilität, Resilienz, Risikominimierung und nicht zuletzt Wettbewerbsfähigkeit. Und das schauen wir uns jetzt im Detail an.
Was bedeutet Prognosegenauigkeit?
Prognosegenauigkeit beschreibt den Grad der Übereinstimmung zwischen den prognostizierten und den tatsächlich eingetretenen Ergebnissen innerhalb eines festgelegten Zeitraums. Also wie gut eine Vorhersage mit dem übereinstimmt, was wirklich passiert ist. Und wie wir jetzt wissen: Je genauer eine Prognose, desto besser können Organisationen ihre Ressourcen verwalten und operative Kosten reduzieren.
Um eine hohe Prognosegenauigkeit zu erreichen, kommen verschiedene Methoden und Technologien zum Einsatz. Traditionell basieren Prognosen auf historischen Daten und statistischen Modellen, wie beispielsweise der Zeitreihenanalyse oder dem gleitenden Durchschnitt. Diese Modelle analysieren historische Muster und Trends, um zukünftige Entwicklungen vorherzusagen. Klassisch sind auch qualitative Methoden wie Marktforschung in Form von Kundenfeedback und Fokusgruppen oder Expertenmeinungen (Delphi-Methode). Wir haben uns ausführlich mit Prognosen und Modellen in unserem letzten Artikel “Demand Forecasting Methoden im Vergleich” auseinandergesetzt.
Durch künstliche Intelligenz und Big Data-Analysen hat sich die Prognosegenauigkeit jedoch erheblich verbessert. Maschinelles Lernen (ML) ermöglicht es, große Datenmengen in Echtzeit zu verarbeiten und dabei komplexe Muster zu erkennen, die mit traditionellen Methoden nicht identifiziert werden können. Algorithmen lernen kontinuierlich (die Idee von ML) aus neuen Daten und passen sich dynamischen Marktbedingungen an, wodurch die Vorhersagen entsprechend genauer werden.
Ein weiterer wichtiger Faktor für die Prognosegenauigkeit ist die Zusammenarbeit in der Lieferkette. Das fängt mit dem Austausch zwischen verschiedenen internen Abteilungen an – wie etwa Vertrieb, Marketing und Logistik – und wird verlängert durch eine enge Abstimmung mit Lieferanten. Dadurch können Unternehmen eine ganzheitliche Sicht auf ihre Nachfrageentwicklung gewinnen. Methoden wie Collaborative Planning, Forecasting and Replenishment (CPFR) unterstützen diesen Prozess und helfen zusätzlich die Genauigkeit der Vorhersagen zu verbessern.
Bestandsmanagement und Nachhaltigkeit
Schauen wir als nächstes auf das Bestandsmanagement – auch angesichts der Nachhaltigkeit. Das Bestandsmanagement ist ein zentraler Aspekt jeder Lieferkette und entscheidet maßgeblich über den Ressourceneinsatz und die Effizienz eines Unternehmens. Hier einige gängige Methoden des Bestandsmanagements:
- Just-in-Time (JIT): Bestellungen erfolgen nur bei Bedarf, um Lagerkosten zu minimieren.
- Economic Order Quantity (EOQ): Optimale Bestellmenge zur Minimierung von Bestell- und Lagerkosten.
- ABC-Analyse: Lagerbestände werden nach Wert in A, B und C kategorisiert, um wichtige Artikel gezielt zu verwalten.
- Sicherheitsbestand: Zusätzlicher Puffer für unerwartete Schwankungen in Nachfrage oder Lieferzeit.
Eine hohe Prognosegenauigkeit optimiert das Bestandsmanagement deutlich, indem es Lagerbestände präzise an den tatsächlichen Bedarf anpasst. So fallen Überbestände und die damit verbundenen Kosten weg, während gleichzeitig die Verfügbarkeit von Waren gesichert bleibt.
Weiterhin helfen präzise Prognosen dabei, die Menge an Rohstoffen und Produkten im Lager optimal zu planen. Unternehmen können genau berechnen, wie viel Lagerbestand sie tatsächlich benötigen, auch um beispielsweise Engpässe zu verhindern. Durch diese verbesserte Abstimmung zwischen Angebot und Nachfrage lassen sich Lagerüberschüsse vermeiden und gleichzeitig die Betriebskosten senken.
Und das trägt positiv zur Nachhaltigkeit bei. Neben der Lagerung führen genauere Voraussagen zu einer effizienteren Nutzung von Ressourcen – nur die benötigten Mengen werden produziert und gelagert. Dies verhindert eine Überproduktion und vermeidet unnötige Abfälle, was wiederum zu einer Reduktion von CO₂-Emissionen und einer höheren Ressourcenschonung führt. Und letzteres ist besonders wichtig für den Bereich Energie. Das Weltwirtschaftsforum (WEF) hat die Optimierung unseres Energieverbrauchs als “Quick Win” identifiziert – ihrer Aussage nach trägt die kollektive Optimierung des Energieverbrauchs zu etwa 55 % zur Lösung bei, bis 2050 Netto-Null zu erreichen.
Die Welt braucht daher diese nachhaltigen Lieferketten, die dank präziser Vorhersagen die ökologischen Auswirkungen von Überproduktion und überflüssigen Transporten minimieren – denn der Druck kommt von allen Seiten: Regierungen, Verbraucher, Investoren und der Umwelt selbst (siehe Abb. 2).
(Abb. 2: Externer Druck zwingt Unternehmen dazu, der ökologischen Nachhaltigkeit Vorrang zu geben, BCG)
Zusätzlich reduziert ein optimiertes Bestandsmanagement den Energieverbrauch in Lagerhäusern und verringert den Bedarf an Logistik und Transport, was den ökologischen Fußabdruck weiter reduziert. Wenn Waren gezielt und in den richtigen Mengen an strategisch günstigen Standorten gelagert werden, werden Transportwege verkürzt und damit Energie und Treibstoff eingespart. Das Thema Nachhaltigkeit ist umfangreich – lesen Sie dazu weiterhin unsere Beiträge “Nachhaltigkeit als Strategie: Eine neue Dimension im Supply Chain Management” und “Dekarbonisierung trifft auf künstliche Intelligenz”.
Folgen für die Nachfrageplanung
Präzise Prognosen spielen auch für die Nachfrageplanung (Demand Planning) eine wichtige Rolle. Je höher die Prognosegenauigkeit, desto besser wird der Bedarf der Kundschaft vorhergesehen.
Ein wesentlicher Vorteil ist die bereits angesprochene Reduzierung von Fehlbeständen und Überbeständen. Unternehmen können ihre Lagerbestände gezielt auf den voraussichtlichen Bedarf abstimmen und neben Engpässen auch überflüssige Lagerbestände vermeiden. Insgesamt wird auch die Kundenzufriedenheit verbessert, da Produkte bei Bedarf verfügbar sind.
Stichwort Flexibilität: Zudem ermöglichen exakte Prognosen eine frühzeitige Anpassung an Marktveränderungen. Markttrends, saisonale Schwankungen oder unerwartete externe Einflüsse wie wirtschaftliche Veränderungen werden durch die Analyse von Echtzeitdaten frühzeitig erkannt. KI und ML identifizieren diese Muster, und Unternehmen können so kurzfristig reagieren, um ihre Produktions- und Lieferstrategien anpassen. Wie eingangs erwähnt, kommt dieser Flexibilität in besonders volatilen Märkten eine hohe Bedeutung zu.
Auch hier ist es wichtig, externe Datenquellen in die Nachfrageplanung mit zu integrieren. Neben internen Informationen aus Marketing, Vertrieb wie Point-of-Sale-Daten (POS-Daten), Open-Order-Daten und Warenbestandsdaten können auch Daten aus sozialen Netzwerken oder Wetterdaten genutzt werden, um ein umfassendes Bild der zukünftigen Nachfrage zu erstellen. Diese Technik wird „Demand-Sensing“ oder auch Nachfragesensorik genannt und verbessert abermals die Vorhersagegenauigkeit.
Kostenreduktion und Ressourcenoptimierung
Die meisten der hier genannten positiven Auswirkungen von präzisen Prognosen tragen zur Senkung von Kosten und zur Optimierung des Ressourceneinsatzes in modernen Lieferketten bei. Unternehmen, die genaue Vorhersagen für Nachfrage, Bestände und Lieferungen treffen, gestalten ihre betrieblichen Abläufe effizienter und erzielen so erhebliche Kosteneinsparungen.
Zentraler Aspekt der Kostenreduktion ist eine effiziente Lagerhaltung durch Minimierung von Überbeständen und Fehlbeständen. Das senkt die Lagerhaltungskosten und gleichzeitig das Risiko von veralteten oder ungenutzten Beständen. Geringere Lagerbestände bedeuten daher weniger Kapitalbindung und gleichzeitig werden weniger Ressourcen für die Verwaltung der Bestände benötigt. Die Ressourcenoptimierung wirkt sich ebenfalls positiv auf entstehende oder in diesem Fall nicht entstehende Kosten aus. Weiterhin: Minimierung von Überproduktion, Abfall (Waste) und Energieverbrauch. Wir erinnern uns – die kollektive Optimierung des Energieverbrauchs ist mehr als der halbe Weg für Netto-Null 2050. Im Kontext der Nachhaltigkeit verbessern Unternehmen ihre Umweltbilanz stark.
Ein weiterer Vorteil präziser Prognosen ist die Verbesserung der Logistikeffizienz, bei der Unternehmen ihre Transportwege und -zeiten optimieren. Weniger Eilaufträge und eine bessere Routenplanung tragen dazu bei, die Transportkosten zu senken und den CO₂-Ausstoß zu reduzieren. Ebenfalls positive Aspekte in Bezug auf Betriebskosten und Umweltziele.
Wie Sie Ihre Lieferketteneffizienz steigern
Sie möchten jetzt auch Ihre Lieferketten optimieren? Eine gezielte Strategie ist ein Dreisatz: präzise Prognosen, optimierte Prozesse und innovative Technologien. Hier sind fünf konkrete Schritte, um die Effizienz Ihrer Lieferkette zu maximieren:
1. Nutzen Sie Künstliche Intelligenz (KI) und Automatisierung
Der erste Schritt besteht darin, KI-basierte Tools und Automatisierungstechnologien in Ihre Prozesse zu integrieren. KI hilft, Prognosen zu verbessern, indem sie umfassende Datenmengen in Echtzeit analysiert und Vorhersagen optimiert. Automatisierung unterstützt Ihre Effizienz, indem sie manuelle Aufgaben in der Lagerhaltung, Bestandsverfolgung und im Transport ersetzt und dabei Fehler reduzieren kann.
2. Verbessern Sie die Zusammenarbeit innerhalb der Lieferkette
Steigern Sie die Effizienz durch enge Zusammenarbeit mit Ihren Partnern und Lieferanten. Die Einführung von Collaborative Planning, Forecasting & Replenishment könnte ein erster Schritt sein. Hier werden Vorhersagen zwischen allen Beteiligten geteilt. Diese Zusammenarbeit führt zu einer besseren Abstimmung der Bestände und einer Reduktion von Engpässen oder Überproduktionen.
3. Optimieren Sie Ihre Bestandsstrategien
Ein weiterer zentraler Hebel für die Effizienzsteigerung ist die Optimierung des Bestandsmanagements. Mit exakten Prognosen vermeiden Sie Über- sowie Fehlbestände und stimmen den Lagerbestand konkret auf den Bedarf ab. Implementieren Sie dazu ein Just-in-Time-Bestandsmodell, um überflüssige Lagerkosten und Kapitalbindung zu reduzieren.
4. Digitalisieren Sie Ihre Lieferkette
Und wir sprechen bei der Digitalisierung der Lieferkette nicht von Excel-Sheets. Durch den Einsatz von Cloud-basierten Plattformen erhöhen Unternehmen die Transparenz und können Engpässe schneller identifizieren. Digitalisierung bedeutet Informationen in Echtzeit und auf Marktveränderungen dynamisch reagieren zu können, um Verzögerungen in der Produktion und Lieferung zu senken. Oder gar verhindern.
5. Verbessern Sie die Logistik durch Routenoptimierung
Eine effiziente Logistik ist grundlegend für eine kostengünstige und nachhaltige Lieferkette. Setzen Sie Routenoptimierungs-Software ein, um Transportwege zu verkürzen und den Treibstoffverbrauch zu senken. Eine gute Routenplanung reduziert Kosten, CO₂-Emissionen und trägt kurz- sowie langfristig zur Nachhaltigkeit bei.
Durch die Kombination dieser Schritte machen Sie ihre Lieferketten effizienter, flexibler und widerstandsfähiger gegenüber Veränderungen und Störungen.
Fazit: Nachhaltige und wirksame Lieferketten der Zukunft
Präzise Prognosen, die auf modernster Technologie basieren, sind die Zukunft der Lieferketten. Neben wirtschaftlicher Effizienz müssen wir auch ökologische Nachhaltigkeit erreichen. Und das zahlt sich aus. Nicht nur durch erhebliche Kostensenkung. Nein. Sondern auch durch Flexibilität und Resilienz gegenüber volatilen Marktveränderungen und globalen Störungen.
In Anbetracht von globalen Nachhaltigkeitszielen, Regularien und Gesetzen (LkSG, CBAM, CSRD, etc.) sind genaue Prognosen der Weg und Blick nach vorn. Unternehmen, die diese Technologien und Strategien frühzeitig implementieren, etablieren eine höhere Wettbewerbsstärke und entwickeln als Vorreiter im Bereich nachhaltiges Wirtschaften eine starke Unternehmensmarke. Und leisten ihren Beitrag zum globalen Klimaschutz.