Die Verantwortung des Einkaufs erstreckt sich dabei weit über die reine Kostenkontrolle hinaus. Die Einhaltung gesetzlicher Vorgaben wie dem Lieferkettengesetz zwingt Unternehmen dazu, ihre Lieferketten nicht nur kosteneffizient, sondern auch nachhaltig zu gestalten.
Besonders im Hinblick auf die Reduzierung von Scope-3-Emissionen, die in der Lieferkette eines Unternehmens entstehen, spielt der Einkauf die Schlüsselrolle. In vielen Branchen machen diese indirekten Emissionen bis zu 90 % des gesamten CO2-Ausstoßes aus. Ein effektives Lieferantenmanagement sowie der gezielte Einsatz von Nachhaltigkeitskriterien bei der Lieferantenauswahl sind essentiell, um diese Herausforderung zu bewältigen. Unternehmen müssen daher umfassende Transparenz schaffen, um den wahren CO2-Fußabdruck ihrer Produkte zu ermitteln und Verbesserungen zu erzielen.
Gleichzeitig stellt die zunehmende Regulierung, wie das europäische Lieferkettengesetz, Unternehmen vor neue Hürden. Dieses fordert nicht nur die Einhaltung von Menschenrechten, sondern auch die Berücksichtigung des Klimaschutzes entlang der gesamten Lieferkette. Unternehmen, die es versäumen, sich frühzeitig auf diese Veränderungen einzustellen, riskieren nicht nur Sanktionen, sondern auch Reputationsverluste. Nachhaltigkeit im Einkauf wird somit zur strategischen Notwendigkeit, die Unternehmen hilft, ihre Wettbewerbsfähigkeit langfristig zu sichern.
Von der Auswahl der richtigen Lieferanten über die Implementierung von Nachhaltigkeitskriterien bis hin zur Reduzierung von Risiken in der globalen Lieferkette – der Einkauf steht im Zentrum der Nachhaltigkeitstransformation. Dieser Artikel zeigt, warum der PCF als neues Kriterium in den Einkaufsprozess integriert werden muss.
Einkauf, PCF und Procurement Maturity
Die wachsende Bedeutung des Product Carbon Footprints unterstreicht, dass sich das Procurement weiterentwickeln muss, um nachhaltigere Entscheidungen zu treffen. Hier geht es um die sogenannte Procurement Maturity, also die Beschaffungsreife oder auch Einkaufsreife. Es gibt verschiedene Reifestufen, die den Fortschritt im Einkauf definieren. Während Unternehmen auf den unteren Stufen noch stark taktisch und operativ agieren, entwickeln sich reifere Organisationen zu strategischen Partnern, die CO2-Daten aktiv in ihre Einkaufsentscheidungen einbinden.
Reife Unternehmen verfolgen eine Warengruppenstrategie, die nicht nur Kosten, sondern auch Nachhaltigkeit berücksichtigt. Hier werden PCF-Daten aktiv genutzt, um den CO2-Fußabdruck in die Beschaffungsprozesse zu integrieren. Dies ermöglicht es, nicht nur den Preis, sondern auch die CO2-Bilanz bei der Auswahl der Lieferanten zu berücksichtigen – um damit sowohl Ausgaben als auch Emissionen zu senken. Die modernsten Systeme können den CO2-Fußabdruck der Lieferkette ermitteln, überwachen und datenbasierte Entscheidungen treffen, die langfristig zu einer Reduktion der Treibhausgasemissionen führen. Gleichzeitig liefern extrem genaue Prognosen ein Höchstmaß an Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit, da Lagerung, Vorproduktion und nicht abgesetzte Produkte praktisch wegfallen.
Auch McKinsey (“Sustainability: Don’t get left in the dust”) hebt zudem die zunehmende Integration von digitalen Tools und KI-gestützter Datenanalyse hervor, um die CO2-Emissionen entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu reduzieren. High-Performance-Teams nutzen Datenplattformen, um Emissionsziele zu erreichen und gleichzeitig die Versorgungssicherheit durch Lieferanten-Diversifikation sicherzustellen. Durch die Einbindung von Nachhaltigkeitszielen in Einkaufsentscheidungen können diese Unternehmen ihre CO2-Bilanz signifikant verbessern und sich auf langfristige Partnerschaften mit emissionsarmen Lieferanten fokussieren.
Lieferantenmanagement und grüner Einkauf
Wie wir eingangs erwähnt haben, ist das Lieferantenmanagement DER kritische Aspekt des modernen Einkaufs in puncto Sustainability. Einige sprechen auch davon, dass Lieferantenmanagement das führende Werkzeug in der Dekarbonisierung ist. Der Praxisleitfaden zum nachhaltigen Lieferkettenmanagement des Bundesumweltministeriums (BMUV) zeigte bereits Anfang 2017 auf, dass ein großer Teil der Umweltbelastungen nicht am Standort des Unternehmens selbst, sondern in den komplexen globalen Lieferketten entsteht. Sprich die Scope 3-Emissionen. Jenseits der Optimierung von Kosten muss daher sichergestellt werden, dass Lieferanten die Anforderungen an eine umweltfreundliche und sozial gerechte Produktion erfüllen.
Unternehmen, die bereits ein Umweltmanagementsystem wie EMAS oder ISO 14001 implementiert haben, können diese Standards nutzen, um auch ihre Lieferketten nachhaltig zu entwerfen. Dies beginnt bei der Auswahl von Lieferanten, die beispielsweise emissionsarme Produktionsverfahren anwenden oder Materialien verwenden, die umweltfreundlich gewonnen wurden. Der Leitfaden betont zudem, dass besonders kleinere und mittelständische Unternehmen auf ihre bestehenden Prozesse aufbauen sollten, um schrittweise nachhaltige Lieferkettenmanagement-Praktiken zu integrieren.
PwC ergänzt, dass der Einkauf als Treiber der Dekarbonisierung fungiert. Unternehmen sind angehalten, bei der Wahl ihrer Lieferanten strenge Umweltkriterien anzulegen und regelmäßig zu überprüfen, ob diese Kriterien eingehalten werden. Auch PwC betont, dies gilt insbesondere für Scope-3-Emissionen – die indirekten Emissionen, die entlang der gesamten Wertschöpfungskette entstehen. Ein nachhaltiges Lieferantenmanagement trägt entsprechend dazu bei, diese Emissionen zu senken und die CO2-Bilanz des gesamten Unternehmens zu verbessern. Organisationen sind angehalten, mit Lieferanten eng zusammenzuarbeiten, um Potenziale zu entdecken und um innovative, umweltfreundliche Lösungen zu finden – und auch umzusetzen. Das bedeutet konkret, PCF- und CCF-Daten zu übermitteln und auch mögliche Ideen und Lösungen, wie Lieferanten diese Werte senken oder allgemein nachhaltiger produzieren können.
Dazu müssen ferner Risiken und Chancen im Zusammenhang mit der Nachhaltigkeit identifiziert und priorisiert werden. Der erste Schritt besteht darin, die Nachhaltigkeitsleistung der Lieferanten systematisch zu bewerten und gegebenenfalls Maßnahmen zur Verbesserung ihrer Umweltbilanz zu ergreifen. Dabei können Unternehmen auf die zuvor genannten oder andere Standards und Zertifizierungen (ISO 14064, ISO 14067) zurückgreifen, um die Einhaltung von Umwelt- und Sozialstandards in ihrer Lieferkette zu gewährleisten. Firmen, die ihre Lieferanten in Nachhaltigkeitsziele einbinden, verbessern langfristig ihre eigene ökologische Performance und stärken das Vertrauen sämtlicher Stakeholder.
Lieferkettentransparenz
Weiterhin minimiert ein gut strukturiertes Lieferantenmanagement nicht nur Risiken, sondern bietet auch Chancen zur Verbesserung der Supply Chain Visibility. Durch den Einsatz moderner Technologien und datenbasierter Ansätze überwachen Unternehmen die Leistung ihrer Lieferanten in der Regel in Echtzeit und stellen sicher, dass Nachhaltigkeitsziele erreicht werden. Eine enge Integration von Lieferanten in den Beschaffungsprozess trägt nicht nur dazu bei, dass Nachhaltigkeitsmaßnahmen effizienter umgesetzt werden, sondern erhöht zwangsläufig die Transparenz und vermindert gleichzeitig das Risiko. Lieferkettentransparenz ist ein ausgeprägtes Thema in puncto nachhaltiger Lieferantenbewertung und Risiken in der Lieferkette – auf diese Bereiche gehen wir nun detaillierter ein.
Nachhaltige Lieferantenbewertung und Supply Chain Visibility
Wie wir nun wissen, sind heutzutage Nachhaltigkeitsaspekte bei der Lieferantenbewertung fest verankert. Eine nachhaltige Lieferantenbewertung umfasst ökologische, soziale und ethische Kriterien, die es Unternehmen ermöglichen, den CO2-Fußabdruck ihrer Lieferanten vergleichbar zu bewerten und so die Nachhaltigkeit in der gesamten Lieferkette zu fördern. Durch den Einsatz von Technologien wie KI und hier insbesondere die Berechnung des Product Carbon Footprints sowie Tools zur Supply Chain Visibility überblicken Unternehmen die Nachhaltigkeit ihrer Lieferanten und verbessern die Effizienz ihrer Lieferkette insgesamt.
Denn Unternehmen sind in der Verantwortung – zum einen, dass ihre Lieferanten gesetzliche Mindeststandards einhalten, zum anderen, dass diese gleichermaßen aktiv Maßnahmen ergreifen, um ihre Umweltauswirkungen zu minimieren. Neben der Reduktion von Treibhausgasemissionen geht es hier auch um den verantwortungsvollen Umgang mit Ressourcen und der Achtung von Menschenrechten. Konkrete Maßnahmen, die in der Bewertung berücksichtigt werden können, sind etwa der Einsatz von erneuerbaren Energien in der Produktion, die Vermeidung von Abfällen oder die Sicherstellung fairer Arbeitsbedingungen.
Lösungen wie pacemaker Carbon Intelligence greifen auf branchenspezifische Datenbanken für Emissionsfaktoren und Lieferanten zu und können somit genauere Angaben für verschiedene Industriezweige und Produktkategorien liefern anstatt allgemeiner Durchschnittswerte. Dadurch ist eine präzise Berechnung von CO2-Emissionen sowie der CO2-Fußabdruck einzelner Produkte möglich.
Ein weiterer wichtiger Aspekt, auch in Bezug auf die nachhaltige Lieferantenbewertung, ist die Supply Chain Visibility. Also die Fähigkeit, alle Stufen der Lieferkette (in Echtzeit) zu überwachen. Lieferketten werden durch moderne Technologien so gestaltet, dass sie effizienter und gleichzeitig nachhaltiger werden. Ein Beispiel ist der Einsatz von digitalen Plattformen zur Lieferantenbewertung – Unternehmen können dadurch potenzielle Risiken frühzeitig erkennen und sofort reagieren. Besonders die Pandemie hat uns vorbereitet auf solche Fälle. Dank solcher Bewertungssysteme und der Supply Chain Visibility sind wir imstande, unmittelbar auf Störungen in der Lieferkette zu reagieren und alternative Lieferanten zu aktivieren, bevor es zu Versorgungsengpässen kommt. Eine Voraussetzung für die gewünschte durchgehende Transparenz gibt es allerdings auf Seiten der Unternehmen: gutes Datenmanagement.
Risikomanagement in der globalen Lieferkette
Wo wir gerade von Risiken und Störungen sprechen – wie wir unlängst wissen, bringen globale Lieferketten zahlreiche Herausforderungen mit sich – Risikomanagement ist daher von höchster Bedeutung. Weil ein großer Teil der CO2-Emissionen in der Lieferkette entsteht, gilt es, Risiken frühzeitig zu erkennen und zu minimieren – besonders wenn Organisationen ihren Product Carbon Footprint verbessern wollen.
Einer der Hauptfaktoren, die zur Risikominderung beitragen, ist die zuvor besprochene Supply Chain Visibility. Neben Prognosen der künstlichen Intelligenz (Demand Planning, Demand Forecasting) helfen auch Technologien wie IoT und GPS-Tracking, um Störungen, Verzögerungen oder Bestandsengpässe frühzeitig zu erkennen und proaktiv zu handeln.
Die Dynamiken der globalisierten Märkte sind zu komplex geworden, als dass man diese ohne Machine Learning vorhersagen könnte – die gute Nachricht ist jedoch, dass viel weniger Daten benötigt werden als angenommen wird. Die Verbesserung von manueller Berechnung auf Machine Learning Algorithmen ist selbst bei kleinen Datenmengen aus den letzten 2 Jahren schon erheblich.
Weitere fortschrittliche Technologien wie digitale Zwillinge und KI-gestützte Szenarioanalysen ermöglichen es, Risiken präzise zu identifizieren und präventive Maßnahmen zu ergreifen. Unternehmen können mithilfe von simulierten Szenarien verschiedene Risiken bewerten und die Auswirkungen potenzieller Lieferkettenstörungen analysieren, bevor diese tatsächlich eintreten. Auch das macht die Lieferkette widerstandsfähiger und nachhaltiger.
Ein weiteres Risiko besteht in der Nichteinhaltung von ESG-Standards. Viele Unternehmen haben Schwierigkeiten, die ESG-Standards ihrer Lieferanten zu überwachen. Da laut Untersuchungen bis zu 65 % der Unternehmen keine ausreichenden Informationen über die Einhaltung dieser Standards haben, kann dies zu erheblichen rechtlichen und Reputationsrisiken führen. Um diesen Risiken zu begegnen, helfen KI-Tools und datengesteuerte Analysen erneut, um ESG-Risiken überschaubar zu halten und zeitnah auf Verstöße zu reagieren.
Wie wir bereits in unserem Beitrag “KI, Kohlendioxid und das Billionen-Dollar-Versprechen” feststellen, kann uns KI in drei Bereichen helfen: Emissionsüberwachung, Voraussage und Reduzierung von Emissionen. Durch präzise Vorhersagen zur Warenverfügbarkeit, dem Energieverbrauch und der CO2-Bilanz können Emissionen überwacht und so letztendlich die Lieferkette nachhaltiger gestaltet werden. Und das reduziert nicht nur die Risiken in der Lieferkette, sondern verbessert auch gleichzeitig ihre vielbesagte Transparenz und Effizienz.
ESG-konformer Einkauf und ESG-Finanzen
Bleiben wir im Bereich ESG. Durch die wachsende Bedeutung von ESG-Kriterien müssen Beschaffungsprozesse nachhaltig und sozial verantwortungsvoll sein. Der steigende CO2-Preis, wie vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW Köln) analysiert, führt zu erheblichen Kostensteigerungen in der Industrie. Besonders energieintensive Branchen spüren diese Belastung deutlich. Ein konkretes Beispiel ist die Zementindustrie, die durch hohe Emissionen erheblich mehr für CO2-Zertifikate zahlen muss. Diese Mehrkosten zwingen Unternehmen dazu, ihre Emissionen zu reduzieren, um weiterhin wettbewerbsfähig zu bleiben. Doch es locken noch weitere monetäre Anreize.
Wie wir nun wissen, bedeutet ein ESG-konformer Einkauf, Umwelt- und Sozialstandards fest in den Beschaffungsprozess zu integrieren. Denn ein ESG-konformer Einkauf hilft bei der Einhaltung gesetzlicher Vorgaben wie dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz. Unternehmen sind verpflichtet, menschenrechtliche und umweltbezogene Risiken in ihrer Lieferkette zu identifizieren und zu minimieren.
Wolters Kluwer betont weiterhin, dass Unternehmen durch die Einhaltung von ESG-Kriterien Zugang zu besseren Finanzierungskonditionen erhalten. Grüne Finanzierungen wie Green Bonds oder nachhaltige Kredite werden zunehmend von Banken angeboten, um umweltfreundliche Projekte zu unterstützen. Ein Beispiel: Ein Automobilhersteller konnte durch die Einführung eines nachhaltigen Einkaufsprozesses einen grünen Kredit zu günstigeren Konditionen erhalten, da er seine CO2-Emissionen entlang der Lieferkette nachweislich reduzierte.
Die Integration von ESG-Kriterien in das Procurement führt auch zu einer stärkeren Bindung der Klientel und von Geschäftspartnern. Verbraucher:innen achten zunehmend auf die Nachhaltigkeit von Produkten und belohnen Unternehmen, die transparent und verantwortungsvoll handeln. Ein Beispiel hierfür ist ein Modeunternehmen, das seiner Kundschaft detaillierte Informationen über die Nachhaltigkeit seiner Produkte bereitstellt. Durch die Offenlegung der CO2-Emissionen jedes Kleidungsstücks konnte das Unternehmen das Vertrauen der Kund:innen gewinnen und seine Marktposition stärken.
ESG-Finanzen sind ein weiterer wichtiger Aspekt. Investorengruppen und Finanzinstitute berücksichtigen immer stärker ESG-Faktoren in ihren Entscheidungen. Unternehmen, die nachhaltig wirtschaften, erhalten besseren Zugang zu Kapital. So erhielt ein Energieunternehmen eine signifikante Investition von einem Fonds, der ausschließlich in nachhaltige Projekte investiert. Die Voraussetzung war ein nachweislich ESG-konformer Einkauf und eine klare Strategie zur Reduzierung des CO2-Fußabdrucks.
Fazit
Die Einführung des Product Carbon Footprints im Einkauf erfordert ein Umdenken: Lieferanten müssen nicht nur anhand von Preis und Qualität bewertet werden, sondern auch nach ihrem Beitrag zur CO2-Reduktion. Digitale Technologien unterstützen diesen Prozess, indem sie Einblicke in die Lieferkette bieten, Emissionen messbar machen und so helfen, kritische Entscheidungen zu treffen. Durch die Einführung des PCFs im Einkaufsprozess können Unternehmen nicht nur nachhaltiger agieren, sondern auch ihre Kosten senken, indem sie Energieeffizienz und Ressourcenschonung fördern. Nachhaltigkeit wird somit zu einem zentralen Erfolgsfaktor im Einkauf und der Product Carbon Footprint als neues Kriterium und Messlatte integriert.